Scientology: Wissen was stimmt

Gedanken zu dem Buch „Scientology – Wissen, was stimmt“ von Dirk Ritter-Dausend Herausgegeben im Herder Verlag 2010

Was könnte einen Beamten veranlassen, ein Buch zu schreiben, in dem das Gegenteil von dem steht, was seine Behörde herausgefunden hat? Genauso, wie der Steuerhinterzieher gezwungen ist, seine Schwarzgelder, nachdem er sie einmal beiseite geschafft hat, weiterhin versteckt zu halten, sind die Mitwisser behördlicher Machenschaften gezwungen, die Wahrheit mit allen Mitteln vor der getäuschten Öffentlichkeit zu verbergen – notfalls mit Büchern, die nur die alten Kamellen wiederholen, aber bestimmt nichts enthalten, was wissenswert wäre.

Welche Wahrheiten verschweigt Herr Ritter-Dausend?

Nach dem Gesetz darf der Verfassungsschutz eine Gruppierung nur dann ins Visier nehmen, wenn sie eine „politisch bestimmte Zielsetzung“ verfolgt. Dies wurde im Fall von Scientology mit einem Trick umgangen, solche Zielsetzungen liegen im Fall von Scientology nämlich nicht vor. Der frühere Innenminister von Niedersachsen Gerhard Glogowski verneinte deshalb die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes noch am 5. November 1996 gegenüber der Süddeutschen Zeitung unter Hinweis auf ein internes Gutachten mit der Begründung, dass es der Scientology Kirche „an der für eine Beobachtung notwendigen politischen Zielsetzung fehlt.“ Um diese rechtliche Hürde zu nehmen, wurde den VS-Behörden von der Politik die Aufgabe gestellt, den Begriff der „politisch bestimmten Zielsetzung“ im Nachhinein neu zu definieren, damit man die Scientology Kirche (natürlich nach angemessener Konsultation der Sektenbeauftragten der Amtskirchen) überhaupt ins Visier nehmen konnte.

So geschehen am 21. Januar 1998 laut Aktenvermerken des Berliner VS vom 14. April 1999, welche die Behörde den Gerichten vorlegen musste. Nach dieser absurden Neudefinition des Begriffs „politische Zielsetzung“ ist jede gemeinnützige Betätigung schon eine politische. In Berlin hat das Verwaltungsgericht die VS-Überwachung von Scientology sowohl im Dezember 2001 als auch im Dezember 2003 rechtskräftig untersagt, ebenso wie das Oberverwaltungsgericht des Saarlands im Jahre 2005 dies für das Saarland gebot.

Wer zu einem Buch greift, das von einem namhaften Verlag herausgegeben wird, kann erwarten, dass eine sozial engagierte Gruppe wie die Scientologen ausgewogen dargestellt wird. Wenn nach 13-jähriger Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht eine einzige gegen unsere Verfassung gerichtete Tätigkeit, geschweige denn strafbare Handlungen, der deutschen Scientology-Kirchen gefunden werden konnten – so ein Bericht des SPIEGEL vom 22. September 2008 unter Bezugnahme auf einen vertraulichen VS-Bericht – sollte man annehmen, dass ein mit Sicherheitsfragen befasster Beamter wenigstens diesen Umstand erwähnenswert findet.

Am 21. November 2008 berichtete zusätzlich der FOCUS unter Bezugnahme auf den damaligen Staatssekretär August Hanning im BMI: „Laut Verfassungsschutz gibt es keine ausreichenden Hinweise für eine Verfassungswidrigkeit von Scientology.“ Der frühere Dienstvorgesetzte von Ritter-Dausend und ehemalige Präsident des VS-NRW, Fritz-Achim Baumann, hatte diese Erkenntnis bereits in einem Interview mit dem Magazin STERN – „Kein Fall für Schlapphüte“ – in der Ausgabe vom 2. September 1999 öffentlich zugegeben. Diese Befunde werden von Ritter-Dausend in seinem Buch der Öffentlichkeit vorenthalten.

Wikileaks hat diese Politik der Verblendung im Dezember 2010 in Hamburg erneut deutlich gemacht und offengelegt, wie die Öffentlichkeit manipuliert wird. Gegenüber Vertretern des US Konsulats in Hamburg machten nämlich die Hamburger VS-Beamte am 19. Dezember 2007 klar, dass sie Scientology nicht als eine Bedrohung ansehen. Dennoch wurde von Politikern aus rein wahltaktischen Gründen mit Blick auf die damals Anfang 2008 anstehende Bürgerschaftswahl in Hamburg sogar ein Verbotsverfahren gegen Scientology in den Raum gestellt, weil man sich Wählerstimmen erhoffte. Gleichzeitig erwarteten dieselben Politiker, dass die Sache nach den Wahlen im Sande verläuft. Die TAZ in Hamburg berichtete am 20. Dezember 2010 kurz vor Weihnachten unter der Überschrift „Verbot als Wahlkampfmanöver“ über diese politischen Strategiespiele.

Aus unvoreingenommener Sicht bestätigen diese Fakten doch nur, dass die Scientology Kirchen Recht und Gesetz des Landes achten und dies seit der ersten Gründung in Deutschland vor mehr als 40 Jahren tun. Die mittlerweile 13 Jahre andauernde VS-Beobachtung hat diese Tatsache letztlich bestätigt, nur wird dies vorsätzlich verschwiegen.

Letztlich ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn es Ritter-Dausend aufgrund seiner obrigkeitshörigen Geisteshaltung schon verboten ist, dem Leser mitzuteilen, dass tausende Scientologen auf der ganzen Welt bei Naturkatastrophen helfen, dass sie in Entwicklungsländern den Ärmsten zu einer Schulbildung verhelfen und bei der Bekämpfung des Drogenmissbrauchs Beispielhaftes leisten.

Erwähnenswert sollte aus Sicht des mit der Verbrechensbekämpfung betrauten Innenministeriums auch sein, dass die Scientologen mit ihren Programmen gegen die steigenden Kriminalitätsraten aufsehenerregende Erfolge erzielen und mit Behörden in vielen Ländern eng zusammenarbeiten.

Das Verschweigen aller obigen Informationen von Seiten einer Regierungsstelle und eines Mitarbeiters der VS-Behörde erfüllt den Tatbestand der bewussten Manipulation der öffentlichen Meinung.

Wenn der Schreiber nicht glaubhaft nachzuweisen vermag, dass er dieses Machwerk ausschließlich in seiner Freizeit zusammengestellt hat, wäre dies ein Fall für den Rechnungshof und sollte zusätzlich vom Bund der Steuerzahler unter die Lupe genommen werden. Es bestünde dann eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der NRW-Beamte Dirk Ritter-Dausend auf Anhieb den Sprung in die Top-Ten-Hitliste der eklatantesten Fehlleistungen auf Kosten der arbeitenden und steuerzahlenden Bevölkerung schafft.

Fazit

Erschreckende Unkenntnis der Materie, ein weiterer Rechtfertigungsversuch für die Existenz einer Überwachungsbehörde, auf die die Methoden ihres ehemaligen Gegners, der Stasi, sichtbar abfärben. Ritter-Dausend hat bestenfalls eine Gefälligkeitsarbeit für seine Vorgesetzten abgeliefert. Information für ein breites Publikum, um sich ein ausgewogenes Bild zu machen, sieht anders aus.

Dem Vernehmen nach weigert sich der Ministerialbeamte Ritter-Dausend auch, mit Scientologen zu sprechen. Eine sichere Voraussetzung dafür, nichts dazu lernen zu wollen. Bequemer ist es, sich hinter politischen Weisungen zu verstecken und die immer gleichen Verdrehungen zu wiederholen.