In der Verhandlung vom 4.12.2003 zum Thema der Scientology-Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörde Berlin stellt das Berliner Verwaltungsgericht (Az VG 27 A 40.03) fest, dass die Erwähnung von Scientology im Verfassungsschutzbericht 2002 offensichtlich rechtswidrig ist.
VG Berlin: Erwähnung im VS-Bericht 2002 rechtswidrig
In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Berlin räumte ein Vertreter des Landes ein, dass der Verfassungsschutz bei der Beobachtung von Scientology im Jahre 2002 keine Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen gewonnen habe. Laut Gericht dürfen aber nur aktuelle verfassungsfeindliche Bestrebungen in dem Bericht erwähnt werden.
Berlin: Beobachtung von Scientology eingestellt
Nachdem die Innenbehörde die Beobachtung der Scientology Kirche und ihrer Mitglieder bereits im August 2003 eingestellt hatte, änderte die Scientology Kirche diesen zweiten – ursprünglich auf Einstellung der Überwachung gerichteten – Antrag um in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der früheren Überwachung. Das Verwaltungsgericht Berlin wies diesen Antrag der Klage aus formalrechtlichen Gründen als unzulässige Klageänderung ab.
In ihrer Klageschrift zitierte die Kirche zahlreiche Urteile und Behördenanerkennungen: „Ob dies die USA, Australien, Südafrika, Kanada, Italien, Portugal, Österreich, Schweden, England, Neuseeland oder Taiwan betrifft. In all diesen Ländern und einigen mehr ist die Scientology Kirche heute als Religion und fester Teil der Gesellschaft staatlicherseits anerkannt …“.
Nicht nur in Berlin nahmen Zweifel und öffentliche Kritik an der Beobachtung seit längerem zu: In einer am 3. Dezember 2002 veröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der CDU an den Bremer Senat in der Drucksache 15/1316 hatte das Bremer Innenministerium – welches zu jener Zeit auch den Vorsitz der Innenministerkonferenz innehatte – erklärt, dass die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes nicht nur in Bremen, sondern bundesweit über die seit Jahren bekannten Tatsachen hinaus als gering einzustufen seien. Ebenso hieß es in der Antwort: Eine vom Bundeskriminalamt im Jahre 1995 eingerichtete Sondermeldestelle zur Erfassung vermuteter Straftaten der Scientology- Organisation wurde bereits im Februar 2001 aufgelöst, weil es nicht einmal Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten seitens der Scientology-Organisation und ihrer Mitglieder gab. Auch umfangreiche staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren in den vorangegangenen Jahren in München, Hamburg und Stuttgart wurden allesamt zu Gunsten der Scientology Kirche eingestellt.
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bezweifelte auch Berlins Innensenator Erhard Körting den Sinn einer weiteren Beobachtung. Die Bundesverbraucherschutz-Ministerin Renate Künast erklärte in einem Interview im April 2000: „Das Amt beobachtet Scientology, obwohl mittlerweile alle wissen, dass Scientology keine Gefahr für die Bundesrepublik ist.“ Auch in den Menschenrechtsberichten des amerikanischen Außenministeriums wurde die Scientology-Beobachtung wiederholt vehement kritisiert.
Dem gegenüber sorgten Jahre lange Skandale im früheren Landesamt für Verfassungsschutz Berlin bundesweit für Schlagzeilen. So behauptete ein Anonymus eine Scientology-Mitgliedschaft des leitenden Berliner Polizeibeamten Otto D., die dann vom Berliner Landesamt für Verfassungsschutz unter Hinweis auf „geheimdienstliche Mittel“ in einem „Behördenzeugnis“ bestätigt wurde. Quelle war ein geheimnisvoller V-Mann, der in die Berliner Scientology Kirche eingeschleust worden war und später als höchst dubioser Ex-Stasi-Spitzel enttarnt wurde. Weitere skandalöse Praktiken von Verfassungsschutzagenten kamen ans Licht, als sie versuchten, einem Teilzeitmitarbeiter der Berliner Scientology Kirche als informellen Mitarbeiter anzuwerben und ihm 5.300 Mark in bar unter anderem für Beweise über eine Scientology-Mitgliedschaft des Polizeidirektors Otto D. übergaben. Letztlich führten diese Skandale zur Auflösung des Berliner Landesamts für Verfassungsschutz als eigenständige Behörde.
Die Verfassungsschutzbeobachtung hat nach über sechs Jahren außer den bekannten VS-Skandalen absolut nichts ergeben, weil es bei der seit 30 Jahre bestehenden Scientology Kirche nie etwas gegeben hat, das einer Beobachtung bedurft hätte. Erwähnungen in den VS-Berichten wurden gegen Scientology gezielt als Diskriminierungsinstrument eingesetzt. Die in den letzten Jahren veröffentlichten Berichte der Berliner Verfassungsschutzbehörde sind an Substanzlosigkeit und Banalität nicht mehr zu überbieten, hieß es in der Klageschrift, dem das Gericht heute vollauf gefolgt ist und dem sich die Behörde nach kurzer Überlegung bedingungslos unterwarf.
„Der Kombination aus Ignoranz und Rechtsmissbrauch hat das Verwaltungsgericht Berlin dennoch einen Riegel vorgeschoben, indem es die Erwähnung der Scientology Kirche im VS-Bericht klar als rechtswidrig beurteilt hat,“ sagte die Scientology-Sprecherin nach der heutigen Gerichtsverhandlung in Berlin.