Bundesverwaltungsgericht: Scientology Neue Brücke e. V. behält Rechtsfähigkeit (BVerwG 1 C 18/95)

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil (BVerwG 1 C 18/95) vom 6. November 1997 entschieden, daß ein Verein keinen Wirtschaftsbetrieb unterhält, soweit er seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, in denen sich die Vereinsmitgliedschaft verwirklicht und die unabhängig von den mitgliedschaftlichen Beziehungen nicht von anderen Anbietern erbracht werden können. Es folgen Auszüge aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zum vorliegendem Rechtsstreit.

Regierungspräsidium Stuttgart entzieht Scientology-Verein die Rechtsfähigkeit

Das Regierungspräsidium Stuttgart entzog dem Verein Scientology Neue Brücke, Mission der Scientology Kirche e.V. in Stuttgart die Rechtsfähigkeit, weil er entgegen dem Wortlaut der Vereinssatzung nicht nur ideelle Zwecke verfolge, sondern einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalte. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die dagegen gerichtete Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hob den Bescheid des Regierungspräsidiums im wesentlichen mit der Begründung auf, der klagende Verein verfolge zwar einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb; die Entziehung der Rechtsfähigkeit scheide jedoch aus, wenn der Verein eine Religionsgemeinschaft darstelle; das Regierungspräsidium habe rechtsfehlerhaft unterlassen, dies zu prüfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revisionen des Landes Baden-Württemberg und des Vertreters des öffentlichen Interesses die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Bundesgerichtshof: wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb definiert

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Tätigkeiten eines Vereins als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzusehen, wenn es sich um planmäßige, auf Dauer angelegte und nach außen gerichtete, d.h. über den vereinsinternen Bereich hinausgehende, eigenunternehmerische Tätigkeiten handelt, die auf die Verschaffung vermögenswerter Vorteile zugunsten des Vereins oder seiner Mitglieder abzielen. Ein Idealverein wird nicht zum wirtschaftlichen Verein, wenn er zur Erreichung seiner idealen Ziele unternehmerische Tätigkeiten entfaltet, sofern diese dem nicht wirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind (sog. Nebenzweckprivileg). Im vorliegenden Rechtsstreit war über die Anwendung dieser Grundsätze auf einen Verein zu befinden, der sich nach seiner Satzung als Religionsgemeinschaft versteht und seine Dienste grundsätzlich gegen Entgelt erbringt.

Bundesverwaltungsgericht: Scientology-Verein unterhält keinen Wirtschaftsbetrieb

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, daß ein Verein keinen Wirtschaftsbetrieb unterhält, soweit er seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, in denen sich die Vereinsmitgliedschaft verwirklicht und die unabhängig von den mitgliedschaftlichen Beziehungen nicht von anderen Anbietern erbracht werden können. Dann liegt nämlich keine unternehmerische Tätigkeit vor. Dies ist beim Kläger der Fall, wenn das nach seiner Satzung als „geistliche Beratung“ zu verstehende sog. Auditing und die Seminare und Kurse „zur Erlangung einer höheren Daseinsstufe“ von gemeinsamen Überzeugungen der Mitglieder getragen sind, von denen sie nicht gelöst werden können, ohne ihren Wert für den Empfänger zu verlieren. Die Überzeugungen, die die Mitglieder als Gemeinschaft zusammenführen und die dem Verein seine Eigenart vermitteln, müssen nicht notwendig als Religion im Rechtssinne anzusehen sein.

Liegen solche Umstände vor, spielt es keine Rolle, ob der Kläger mit anderen auf einem „weltanschaulichen Markt“ konkurriert. Unerheblich ist auch, daß der Kläger sich nicht allein durch allgemeine Mitgliedsbeiträge, sondern vorwiegend durch Entgelte für Einzelleistungen finanziert. Gefahren, die einzelnen, wie der Beklagte vorgetragen hat, aufgrund ihrer Mitgliedschaft beim Kläger in persönlicher oder finanzieller Hinsicht drohen, rechtfertigen als solche nicht, ihm die Rechtsfähigkeit mit der Begründung zu entziehen, er verfolge den Zweck eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs; ob den behaupteten Gefahren mit anderen hoheitlichen Mitteln begegnet werden kann, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

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