Programmbeschwerde zur ARD Sendung „Die Spitzel von Scientology“

GriechenlandSehr geehrte Damen und Herren,

die ARD hat am 26. Juni 2012 eine neu geschnittene Fassung eines Filmes zum Thema Scientology ausgestrahlt, der in seiner Ursprungsform bereits am 15. Mai 2012 von ARTE gesendet wurde. Über die einseitige Vorbereitung des Films und die Querelen um seine unwahren Tatsachenbehauptungen und Verdrehungen vor und nach seiner Ausstrahlung gibt es umfangreiche Korrespondenz und konkrete Vorwürfe, die bereits Teil zahlreicher Eingaben waren.

Wir wollen diese nicht nochmals aufgreifen, sondern wenden uns hier gegen konkrete Programmverletzungen in der neu ausgestrahlten Sendung Wir beschränken uns diesbezüglich auf die neu eingefügten Teile zum Thema Scientology in Griechenland und Russland, die in der Ursprungsversion von ARTE nicht enthalten und uns bis zur Ausstrahlung unbekannt waren.

Wir verweisen darauf, dass die Filmemacher uns bezüglich dieser dort vorgetragenen Behauptungen nie kontaktiert hatten, obwohl unbestritten ist, dass wir auf schriftliche Anfragen zu Tatsachen jeder Zeit bereit sind, auch umfangreich Auskunft zu erteilen.

Die Teile zu Griechenland und Russland beinhalten zahlreiche Fehler, die mit einer objektiven und sachlich neutralen Recherche hätten vermieden werden können.

In einigen Teilen finden sich skandalöse Manipulationen, die sich nicht einfach nur mit Flüchtigkeitsfehlern entschuldigen lassen.

Wir haben eine ausführliche Stellungnahme unter Nennung der unwahren Tatsachenbehauptungen und Ausführung der wahren Begebenheiten bei der Programmdirektion des Südwestrundfunks eingereicht und um Rückäußerung gebeten. Der Eingang wurde zwar bestätigt, aber die Fernsehleitung war entweder nicht bereit oder unfähig Stellung zu beziehen.

Wir sehen hier folgende Programmrichtlinien als verletzt an:

„Alle Beiträge für Informationssendungen (Nachrichten, Berichte und Magazine) sind gewissenhaft zu recherchieren; sie müssen wahrheitsgetreu und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Die Redakteure sind bei der Auswahl und Sendung der Nachrichten zur Objektivität und Überparteilichkeit verpflichtet.“

 

„In allen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse sind die verschiedenen Auffassungen im Gesamtprogramm ausgewogen und angemessen zu berücksichtigen. Das Gesamtprogramm darf weder einseitig den Interessen einer Partei oder Gruppe noch Sonderinteressen gleich welcher Art dienen.“

Wir haben davon abgesehen, auf jede einzelne Unrichtigkeit einzugehen, die unseres Erachtens im Filmbericht zu finden ist und uns auf die Punkte beschränkt, die wegen ihrer groben Unwahrheit entweder eklatante Fehlleistungen im Sinne der obigen Richtlinien sind oder massiv journalistische Fairness vermissen lassen.

Zu Griechenland

1) Der Film-Beitrag von Markus Thöß behauptet, bei Durchsuchungen scientologischer Einrichtungen in Athen Mitte der 90er Jahre hätte die Staatsanwaltschaft Pläne für ein scientologisches Projekt „Bulgravia“ gefunden, um nach dem Fall des Kommunismus in den 90er Jahren Einfluss auf die Regierungen der Balkanländer Bulgarien, Griechenland, Albanien und Jugoslawien zu gewinnen.

Ein derartiges Scientology-Projekt gab es zu keiner Zeit. Es handelte sich um die bloße Erfindung einer griechischen Zeitung namens „Schatz“ (deutsche Übersetzung) vom 2.9.1996 mit einer entsprechenden Landkarte abgedruckt in dieser Zeitung. Eine Kopie dieses Zeitungsartikels hatte der Staatsanwalt während seiner Hausdurchsuchung der damaligen griechischen Scientology-Einrichtung KEFE (Zentrum für Angewandte Philosophie) in einer Akte mit gesammelten Presseartikeln gefunden – mehr nicht. Jede gegenteilige Behauptung ist falsch.

2) Der Filmbeitrag behauptet, es gäbe Belege, dass „OSA [Office of Special Affairs] über rund 2000 Personen des öffentlichen Lebens in Griechenland Dossiers angelegt habe. OSA Informationen in Geheimdiensten, Militär und Medien würden dort aufgeführt“ um „Überwachungs- und Verleumdungskampagnen“ u. a. gegen Politiker durchzuführen und es hätte eindeutige Beziehungen zwischen Scientology und der CIA gegeben, um eine behördliche Stelle zur Überwachung von Sekten aufzulösen.

Die Behauptung über die Existenz solcher Belege ist unwahr. Derartige Unterlagen und Dossiers gab es und gibt es nicht. Die einzigen vorhandenen Unterlagen bezogen sich auf die Sammlung von Zeitungsausschnitten über Medien-Kampagnen (mit den darin erwähnten öffentlich auftretenden Unterstützern solcher Kampagnen) seitens des griechischen Anti-Sekten-Vereins PEG der griechisch-orthodoxen Staatskirche unter Leitung von Priester Alevizopoulos – gleichzeitig Vorsitzender der Anti-Ketzer-Sektion der griech.-orth. Staatskirche – die sich gegen die damalige Scientology-Einrichtung KEFE richteten. Von Informationen in Geheimdiensten, Militär und Medien keine Spur.

Der Verein KEFE hatte dasselbe Recht wie jeder andere Verein auch, im Rahmen der eigenen Pressearbeit Zeitungsausschnitte über sich zu sammeln, um öffentlich darauf erwidern zu können. Jede andere Unterstellung ist nur ein Versuch, der Scientology Kirche generell das Recht auf Meinungsfreiheit und eigene Pressearbeit abzusprechen. Die besagte griechische Anti-Sekten-Stelle wurde auch nicht aufgrund einer Einflussnahme der CIA aufgelöst, sondern weil Griechenland und seine Behörden seit Ende der 90er Jahre gezwungen waren, sich an die Europäische Konvention über Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie an die griechische Verfassung zu halten. Da dies bei der Einrichtung der Stelle nicht der Fall war, wurde sie von Amts wegen im Jahre 1998 aufgelöst, um verfassungskonforme Zustände zu etablieren.

3) Der Filmbeitrag behauptet, die Athener Staatsanwaltschaft habe die „Umtriebe des Sektengeheimdienstes“ – gemeint ist das Büro für Öffentliche Angelegenheiten der Scientology Kirche (OSA) – für staatsgefährdend gehalten und schliesslich Scientology unter anderem wegen Spionage angeklagt.

Auch diese Tatsachenbehauptungen im Filmbeitrag von Thöß sind unwahr. Richtig ist, dass es aufgrund der erwähnten, seit Mitte der 90er Jahre geführten Medienkampagnen des besagten pan-hellenistischen PEG-Vereins der griech.-orthodoxen Staatskirche Ende der 90er Jahre eine Anklage gegen 15 KEFE-Mitglieder (allesamt frühere Vorstandsmitglieder) wegen des Vorwurfs der „unprovozierten faktischen Beleidigung“ gegeben hatte. Ihre angebliche „Straftat“ bestand darin, dass sie Presseberichte über die öffentlichen Attacken gegen KEFE gesammelt hatten, um öffentlich darauf erwidern zu können. Es ging nicht einmal um von ihnen verbreitete beleidigende öffentliche Äusserungen, erst recht nicht um „geheime Unterlagen der griechische Streitkräfte und Zeichnungen eines Militärflughafens bei Athen“, weil es die überhaupt nicht im Besitz der Vereinsmitglieder von KEFE gab und diese deshalb auch dort nicht hätten gefunden werden können.

Alle 15 Vereinsmitglieder wurden deshalb vom Berufungsgericht in Athen auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 13. Mai 1999 rechtskräftig freigesprochen. Einen Spionagevorwurf gab es nie. Der Staatsanwalt stellte in seinem Schlussplädoyer ebenso wie auch das Berufungsgericht in seinem Urteil fest, dass es nie zu einer Anklage hätte kommen sollen und dass die Angeklagten allen Grund hatten, sich auch öffentlich gegen die Vorwürfe verteidigen zu können. Der Staatsanwalt äusserte zu Recht in seinem Plädoyer, dass auch neue religiöse Bewegungen sich in Griechenland auf das in der Verfassung gewährte Recht der Religionsfreiheit berufen könnten.

Diese wesentlichen Tatsachen wurden in dem einseitigen Filmbericht der ARD unterschlagen und verfälscht.

4) Der Filmbeitrag von Thöß behauptet, „die Sekte“ [Scientology] sei 1997 verurteilt und ihre Lehre in Griechenland verboten worden. Während seines Aufenthalts in Athen seien die damaligen Scientology-Einrichtungen dort weiterhin verboten. Scientology sei einfach unter anderem Namen aktiv.

Die Behauptungen von Thöß sind unwahr. Weder die Scientology-Einrichtungen noch ihre Lehre wurden jemals aufgrund eines Urteils oder einer behördlichen Verfügung in Griechenland verboten. Thöß verfälscht die Tatsachen.

Richtig ist, dass es aufgrund der öffentlichen Agitation des genannten griech.-orthodoxen Vereins PEG gegen KEFE ein Zivilverfahren zum Zwecke des Entzugs der Rechtsfähigkeit des Vereins gegeben hatte. Der aus Deutschland von Anti-Ketzer-Priester Alevizopoulos zum Teil mit umgekehrtem Vorzeichen importierte Vorwurf: KEFE verhalte sich nicht satzungskonform, weil der Verein unter dem Deckmantel der Philosophie in Wirklichkeit für die Scientology-Religion missioniere (in Griechenland Mitte der 90er Jahre eine Straftat) und außerdem wirtschaftlich tätig sei. Dieses Verfahren wegen Entzugs der Rechtsfähigkeit hatte der Verein KEFE vor Gericht verloren und sich deshalb Ende der 90er Jahre aufgelöst.

Da aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg auch in Griechenland von den Behörden die Europäische Menschenrechtskonvention seit Ende der 90er Jahre angewendet wird und diese nicht mehr nur ein Lippenbekenntnis zur Erhaltung des Religionsmonopols der griech.-orthod. Staatskirche war und sich seitdem auch neuere Religionsgemeinschaften auf die Religionsfreiheitsgarantien berufen können, gründete sich im Jahre 1999 eine neue Scientology-Mission in Athen die satzungsgemäß die Scientology-Religion pflegt, praktiziert und verbreitet. Ihre Gemeinde erfreut sich daher ohne jegliche Verbote einer wachsenden Beliebtheit.

5) Laut dem Filmbeitrag von Thöß wurde der Journalist Bosnakoudis von Scientology wegen eines angeblichen Enthüllungsbuches verklagt. Dieser habe den Prozess gewonnen und Scientology habe an ihn eine Strafe zahlen müssen. Das Gericht habe befunden, der Journalist hätte sorgfältig und den Tatsachen entsprechend recherchiert.

Diese Behauptung ist ebenso eine Verfälschung der geschichtlichen Tatsachen und unwahr. Richtig ist, dass es eine Klage gegen Bosnakoudis gegeben hat, die jedoch durch einen Vergleich erledigt wurde. Scientology hat auch keine „Strafe“ an den Journalisten zahlen müssen sondern hat als Teil des Vergleiches seine Kosten übernommen. Von „Strafe“ keine Spur.

Zu Russland

1) Der Film behauptet, dass an den Hubbard Colleges für Verwaltung in Russland Auditing praktiziert würde.

Tatsache ist jedoch, dass diese Colleges lediglich Kurse und Seminare zu Themen wie Administration und Organisation, etc. durchführen und nicht der Ausübung der Scientology Religion dienen, noch diese bezwecken.

In diesem Zusammenhang wird weiter behauptet, dass die Resultate dieses Auditings in die USA weiter geleitet würden. Dies ist frei erfunden, da es in den erwähnten Colleges keinerlei Auditing gibt und nie gab.

2) Ein Herr Ch. wird als stellvertretender Chef des russischen Parlaments, der Duma, präsentiert.

Der Film verschweigt, dass der besagte Herr seit 2007 nicht mehr Mitglied der Duma ist. Er war schon damals ein aktiver Lobbyist für die orthodoxe Kirche.

Es ist ein ziemlicher Skandal, dass hier eine aktuelle Funktion erfunden wurde, um den übrigen ebenfalls erfundenen Behauptungen des Berichts genügend Gewicht zu geben.

3) der Film behauptet, dass Hubbard Colleges systematisch in „geheimen Atom-Städten“ etabliert wurden.

Tatsache ist, dass es in Russland seit Jahrzehnten keine geheimen Atom-Städte mehr gibt und auch dort nie ein Hubbard College für Verwaltung etabliert wurde. Die ersten Hubbard Colleges wurden erst gegründet, als es gar keine geheimen Atomstädte mehr gab.

4) Völlig frei erfunden ist ein Bericht im Film, in der eine geheime Druckerei „gefunden“ wurde, die angeblich im Geheimen verbotene Bücher für Scientology druckt.

In Russland werden keinerlei Scientology-Bücher gedruckt. Die Scientology-Literatur wird von den kirchlichen Verlagshäusern in Dänemark und in Los Angeles, Kalifornien in allen Sprachen gedruckt und von dort in die jeweiligen Länder exportiert.

5) Bücher von L. Ron Hubbard seien auf einem Index verbotener Literatur, die trotz des Verbotes weiter hergestellt und weiterhin in der Scientology Kirche Moskau verkauft würden.

Tatsache ist, dass einige wenige Bücher von L. Ron Hubbard sich gegenwärtig auf einem Index befinden, ebenso wie Schriften von Zeugen Jehovas, Muslimen und anderen Religionsgemeinschaften. Hiergegen sind Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof anhängig, weil es sich um eine unbegründete Beeinträchtigung der Verbreitung der religiösen Lehre handelt. Internationale Institutionen haben das Verhalten russischer Behörden bereits öffentlich an den Pranger gestellt und über den Europarat zur Abstellung dieser Massnahmen und zur Einhaltung der Menschenrechtskonvention aufgefordert.

Mittlerweile verbreiten die russischen Scientology Kirchen jedoch die auf dem Index stehenden einzelnen Werke nicht.


Die obige Auswahl unwahrer und zum Teil frei erfundener Behauptungen verletzen die oben angeführten Programmrichtlinien in eklatanter Weise.

Die journalistische Fairness gebietet, vor Ausstrahlung des Berichts unsere Stellungnahme zu diesen unrichtigen Tatsachenbehauptungen einzuholen oder sie nach erfolgter Ausstrahlung sofort zu korrigieren. Der SWR nimmt jedoch nicht einmal Stellung dazu und versucht die Dinge totzuschweigen.

Wir bitten Sie, diese Vorwürfe zu prüfen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, so dass die verantwortlichen Redakteure und Journalisten für ihr dargestelltes Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen und gerügt werden, damit solche unrichtigen Tatsachenbehauptungen durch vorherige Einholung von Auskünften bei unserer Gemeinschaft gemäß der journalistischen Sorgfaltspflicht zukünftig unterbleiben und uns nachträglich die Möglichkeit gewährt wird, sie auch ohne gerichtliche Maßnahmen im Wege der journalistischer Fairness in einer neuen noch auszustrahlenden Stellungnahme oder Interview zu korrigieren.

Mit freundlichen Grüßen

Jürg Stettler

Scientology Kirche Deutschland e. V.